Das Apostolische Glaubensbekenntnis

Das Apostolische Glaubensbekenntnis hat sich aus einem ursprünglich in Griechisch verfassten und um 400 ins Lateinische übersetzten Taufbekenntnis entwickelt. Vor jedem Untertauchen eines Täuflings bejahte dieser jeweils eine Frage mit dem lateinischen Wort „credo“, d. h. „Ich glaube.“ Die drei Fragen lauteten: „Glaubst du an Gott, den Vater, den Allmächtigen?“ „Und an Jesus Christus, seinen Sohn, den Einziggeborenen, unseren Herrn, der geboren ist aus Heiligem Geist und Maria, der Jungfrau, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt und begraben wurde, der am dritten Tag von den Toten auferstand, aufstieg in den Himmel und zur Rechten des Vaters sitzt, der von dort kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten?“ „Glaubst du an den Heiligen Geist, die heilige Kirche, Vergebung der Sünden und die Auferstehung des Fleisches?“
Ambrosius von Mailand (339-397) nannte das Glaubensbekenntnis erstmals „apostolisch“. Er brachte damit die Überzeugung zum Ausdruck, dass die Inhalte mit den Lehren der ersten Christen übereinstimmen. Aufgrund der starken Verknüpfung mit der Taufe wurde und wird es als Identifikationsmerkmal der Christen verstanden. In der Fachsprache wird das Apostolische Glaubensbekenntnis auch „Symbolon“ genannt. Mit diesem Wort bezeichneten die antiken Griechen eine Erkennungs- und Berechtigungsmarke zum freien Eintritt in einen bestimmten Bereich. Im gemeinsamen Sprechen des Glaubensbekenntnisses findet also die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Getauften und der besondere („königliche„) Auftrag der Nachfolger*innen Jesu Christi einen symbolischen Ausdruck.

Die einzelnen Glaubensaussagen sind in einer hochkonzentrierten, theologischen Sprache verfasst. Im Folgenden versuche ich, sie gewissermaßen etwas zu „verflüssigen“ – in der Hoffnung, dass durch ein besseres Verständnis auch eine größere Bedeutung für das alltägliche Leben wächst.

 

Glauben bedeutet: sich in etwas festmachen, sich sicher wissen. Das ist die wörtliche Bedeutung des hebräischen Wortes aman, das auch in der Bekräftigung „Amen“ steckt. Wie eine Bergsteigerin, die sich an einem steilen Felsen sichert. Vielleicht ist da ein Eisenring, den andere vor ihr dort befestigt haben. Den prüft sie, ob er noch richtig sitzt. Und nur wenn sie absolut davon überzeugt ist, dass sie sich im Zweifelsfall auf diese Sicherung verlassen kann, wird sie ihr Seil dort einklinken. Und wenn sie diese Route schon einmal als Kind geklettert sein sollte, wird sie trotzdem genau prüfen. Schließlich wiegt sie jetzt vielleicht doppelt so viel wie damals.
Genauso ist es mit dem Glauben: Glaubensüberzeugungen stammen von Menschen, die früher selbst einen Glaubensweg gegangen sind. Ihre religiösen „Sicherungen“ haben über Generationen hinweg Menschen gehalten und geleitet. Sie können auch für mich sehr hilfreich sein. Aber ich will sie vorher prüfen, ob sie eben auch mich und mein Leben heute halten. Und wenn ich zweifle, muss ich eben abseits der traditionellen Route suchen, wo ich mich festmachen kann. Das kann ein Risiko sein – genauso wie die Einstellung: „Was früher die Menschen gehalten hat, wird schon heute auch mich noch halten.“

Glaube und Gott gehören zusammen, schreibt Martin Luther in seinem Großen Katechismus. „Woran du dein Herz – d.h. dein Leben – hängst, das ist eigentlich dein Gott.“ So wie mein Glaube sehr viel mit meinen Erfahrungen zu tun hat, so auch mein Gott: Mein Gott ist einerseits die Sicherung, die mich hält; und andererseits das Ziel, an dem ich mein Leben ausrichte. Mein Gott ist das, was mir in meinem Leben Halt und Orientierung gibt.
Manche Menschen haben den Mammon (d. h. den Besitz, den materiellen Erfolg) zum Gott erwählt, schreibt Luther weiter. In ähnlicher Weise kann man auch das Aussehen vergöttern: Dass jemand letztlich nur darin Halt findet, wie er oder sie aussieht; dass sich jemand letztlich nur an einem gerade gängigen Schönheitsideal orientiert und sich daran anpassen will.
Die Bibel ist dagegen sehr eindeutig: Gott hat keinen Körper und kein Aussehen. Gott ist weder reich noch arm. Nur reich an Liebe und Barmherzigkeit. „Gott ist Liebe“, heißt es im 1. Johannesbrief (Kap. 4, Vers 16). Das heißt: Gott ist eine Lebenseinstellung und Lebensausrichtung, die die anderen – auch die ganz Anderen! – sieht und anerkennt; die „Nächsten“, auch wenn sie ganz anders sind als ich; auch wenn ich sie vielleicht nicht mag.

Die erste Stelle in der Bibel, in der Gott sich selbst als „Vater“ bezeichnet, steht im Zusammenhang mit der Königsherrschaft der Nachkommen Davids. In 2. Sam 7,14 legt Gott den Grundstein für die Erbfolge des Königshauses Davids: Wenn du gestorben bist, soll dein Sohn dein Nachfolger sein, sagt Gott zu David. Und zwar „im Namen Gottes“: „Ich werde sein Vater sein und er mein Sohn.“ Gott selbst wird den jeweiligen Thronnachfolger so führen, dass er sich gerecht verhält. Aber Gott wird seine Gnade nicht von ihm abziehen – wie immer er sich auch verhält. „Dein Thron soll für alle Zeit fest gegründet sein“
(Vers 16).

An diese Zusage erinnerten sich die frommen Juden vor allem dann, wenn sie unter einem König zu leiden hatten, der eben nicht nach Gottes Willen regierte. Dann vertrauten sie darauf, dass Gott sich wieder als „Vater“ erweisen und einen „Sohn“ einsetzen wird, der das Volk im Namen Gottes führen und zu nie gekannter Größe und Bedeutung bringen würde. (Der „im Namen Gottes“ eingesetzte König wurde feierlich mit heiligem Öl gesalbt. Deshalb wurde er als „der Gesalbte“ – hebräisch: „maschiach“; griechisch: „christos“ – erwartet.)
Im Neuen Testament wird dieser erwartete „Sohn Gottes“ mit Jesus von Nazareth gleichgesetzt. Folgerichtig spricht Jesus sehr häufig vom „Vater“, wenn er Gott meint.

Aber es gibt noch eine weitere Linie von Vater-Sohn-Beziehung: Der Prophet Hosea bezeichnet (im 8. Jahrhundert v. Chr.) das ganze Volk Israel als „Sohn“ Gottes: „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb und rief meinen Sohn aus Ägypten“ (Hos 11,1). Das Volk Gottes braucht also gar keinen förmlich eingesetzten König. Es ist selbst Gottes „Sohn“! Diese Tradition greift Jesus auf, wenn er zu seinen Nachfolger*innen sagt: „So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel …“ Alle Gläubigen sollen Gott „Vater“ nennen. Das gilt ganz unabhängig von der Herkunft, vom Geschlecht, vom sozialen Stand usw.; denn: „Welche der Geist Gottes leitet, die sind Söhne Gottes.“ (Röm 8,14)


Wer beim „Allmächtigen“ an jemanden denkt, der (wie bei „Bruce Allmächtig“) mit Fingerschnipsen ein altes Auto in einen Rennwagen verwandelt oder mal kurz den Mond näher heranrückt, damit es noch romantischer wird, der ist hier „im falschen Film“. Es geht nicht in erster Linie um „göttliche“ Machtdemonstrationen, sondern um die Frage: Gebe ich meinem Gott wirklich alle Macht?
Die Allmacht des biblischen Gottes hängt mit dem alten jüdischen Glaubensbekenntnis zusammen: „Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all Deiner Kraft.“ (5. Mose 6,4+5) Und kurz davor heißt es im 1. Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (5. Mose 5,7). Deshalb wird im Alten Testament von Gott gesagt, dass er eifersüchtig sei – wie eine Frau, die keine Nebenbuhlerin akzeptiert. Sie will eben „von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft“ geliebt werden und die „Macht der Liebe“ nicht mit jemand anderem teilen!
„Ich bete an die Macht der Liebe“ ist eines meiner liebsten Kirchenlieder. Mein Gott ist als Liebe allmächtig, wenn die Liebe wirklich „die größte“ ist (1. Kor 13,13). Wie und wann kann ich die Allmacht der Liebe wahrnehmen? Zum Beispiel wenn andere über mich lästern; oder wenn ich mich selbst hässlich und nutzlos finde: Dann könnte ich solchen Stimmen Macht über mich geben – oder ich gebe der Liebe die alleinige Macht, die All-Macht. Sie sagt dann zu mir: „Du bist einfach wunderbar!“ Und scheucht die „anderen Götter“ fort.
Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen gewissermaßen die „Nebenbuhlerinnen“ – das Vergleichen, das Be- und Verurteilen, der (Selbst-)Hass, der Tod usw. – mehr Einfluss auf mich haben als die Liebe. Dann ist der Glaube an die Allmacht meines Gottes umso wichtiger – wie es in der 3. Strophe des schönen Liedes „So nimm denn meine Hände“ (EG 376) heißt: „Wenn ich auch gleich nichts fühle / von deiner Macht, / du führst mich doch zum Ziele / auch durch die Nacht.“

Ich nehme die Welt, also Himmel und Erde, anders wahr, wenn ich sie als göttliche Schöpfung, als Ergebnis von Zuwendung (auch im Sinne von Geschenk) glaube: Ich sehe Vielfalt, wo andere vielleicht nur Verwertbares sehen. Ich sehe Beziehungen, wo andere vielleicht (biologische, geografische …) Grenzen ziehen. Ich nehme Wunder des Lebens wahr, wo andere vielleicht nur Kombinationen von Aminosäuren sehen. Der Glaube an Gott den Schöpfer des Himmels und der Erde macht mich dankbar. Und das bedeutet für mich gleichzeitig: Das Prinzip, das Leben schafft und erhält, ist Liebe – Wahrnehmung und Anerkennung jedes einzelnen Geschöpfes, Bejahung von Vielfalt, Freude über Wachstum.

Aber in dieser Glaubensaussage steckt noch mehr: „Himmel“ steht für das große Reich der Möglichkeiten. Die Liebe – d. h. die Anerkennung der anderen und ganz Anderen – eröffnet immer wieder neue Möglichkeiten. Es ist wirklich möglich, seine Feinde zu lieben und für die zu beten, die einen verfolgen (Matth 5,45)! Es ist möglich, sich einzuschränken, damit Menschen in allen Teilen der Welt satt werden und auch die kommenden Generationen noch gut auf dieser Erde leben können!
„Erde“ steht für das Reich der Wirklichkeiten. Ja, es gibt nicht nur eine Wirklichkeit! Die Wirklichkeit der meisten Menschen auf der Nordhalbkugel sieht anders aus als die Wirklichkeit der meisten Menschen auf der Südhalbkugel. Und die Wirklichkeit eines sehr wohlhabenden, kinderlosen Single-Mannes unterscheidet sich sehr von der Wirklichkeit einer alleinerziehenden Mutter, die von staatlicher Unterstützung leben muss. Den Blick für die unterschiedlichen Wirklichkeiten schafft die Liebe.

Wie und wo aber „berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns“, wie es in einem schönen Lied heißt? Das Reich der göttlichen Möglichkeiten wird für Christen zur Wirklichkeit, wo die Liebe Gestalt annimmt. Die Theologen sprechen hier von „Inkarnation“: Gott, die Liebe, wird Mensch. Damit kommen wir zum sog. zweiten Glaubensartikel.

Was wie Vor- und Zuname aussieht, ist wahrscheinlich das älteste christliche Glaubensbekenntnis: „Jesus ist der Christus.“ „Christus“ ist die griechisch-lateinische Übersetzung von „Messias“. Beide Wörter bezeichnen den „Gesalbten“. Sie meinen den erwarteten König, der die Herrschaft Gottes auf der Welt verwirklichen wird. Gerade während der Zeit der römischen Herrschaft über das Gebiet der alten Staaten Israel und Juda war das sehnsüchtige Warten auf den Messias/Christus sehr groß. Die von den Römern eingesetzten politischen Führer und Zollpächter bereicherten sich auf Kosten der Fischer, Handwerker und Bauern. Diese mussten teilweise ihr Land verkaufen und als Tagelöhner arbeiten, um die hohen Steuerschulden bezahlen zu können. Manche gerieten sogar samt ihren Familien in die Schuldknechtschaft: Sie waren Leibeigene einer ungerechten Herrschaft. Andere wurden ins Gefängnis geworfen, bis Angehörige sie wieder „erlösten“ (d.h. auslösten). Ihre Hoffnung setzte das sog. einfache Volk auf das Kommen des „Heilands“ und Retters, den z. B. der unbekannte Autor des sog. Deuterojesaja (Jes 40 – 55) ankündigte. Er lässt Gott zum kommenden König sagen: „Durch dich zeige ich meine Verbundenheit mit den Menschen. Ich mache dich zum Licht für die Völker. Du wirst Blinden die Augen öffnen und Gefangene aus dem Kerker holen. Die im Dunkeln sitzen, befreist du aus der Haft.“ (Jesaja 42,6-7; BasisBibel)

In dieser Erinnerungslinie sehen die frühen Christen das Wirken Jesu von Nazaret. Und die Evangelien erzählen entsprechend von ihm: Er öffnete Blinden die Augen. Er heilte Kranke. Er befreite Menschen, die von „bösen Geistern“ geknechtet wurden. Er kümmerte sich darum, dass die Menschen satt wurden und ihr „tägliches Brot“ bekamen. Er kritisierte diejenigen, die andere wegen deren Schulden ins Gefängnis gebracht hatten (z. B. Matth 18,23-35: „Von der Vergebung; der Schalksknecht“). Und er wollte mit der Berufung der „Zwölf“ den alten Bund Gottes mit seinem Volk wiederaufrichten. Vor diesem Hintergrund spricht Petrus zu Jesus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Matth 16,16)

Vor vielen Jahren habe ich Konfirmand*innen gefragt, wie sie diese Glaubensaussage verstehen. Die erste, spontane Reaktion war: „Jesus war eben ein Eingeborener.“ So hatte ich diese Aussage noch nie verstanden! Deshalb bin ich für diese neue Perspektive dankbar: Jesus war einer aus dem Volk. Kein Missionar von außen gleichsam. Interessant! Aber wie könnte man das noch verstehen? „Naja: Vielleicht ist Jesus in den Gott hineingeboren worden?“ „Nein, umgekehrt: Gott wurde in Jesus hineingeboren!“ Und schon hatte ich wieder etwas dazugelernt. So macht diese Aussage schließlich auch Sinn: Auf wunderbare Weise ist Gott, die Liebe, in Jesus von Nazareth „hineingeboren“ worden und im Laufe der Zeit in ihm groß geworden.
Dahinter fällt die ursprünglich gemeinte Aussage etwas zurück. Allerdings hat sie eine bedeutsame Spitze: Im lateinischen Text des Apostolikums steht an dieser Stelle das Wort „unicum“. Genau übersetzt lautet die Aussage also: „Und an Jesus Christus, seinen einzigen Sohn“.

„Sohn“ ist ein Beziehungsbegriff. Zu ihm gehört in unserem Zusammenhang „Vater“. Wie die göttliche Vater-Sohn-Beziehung zu verstehen ist, habe ich bereits oben ausgeführt: „Sohn Gottes“ war eine traditionelle Bezeichnung für den König bzw. für den „Gesalbten“ (Messias; Christus). Aber auch im Umfeld des altorientalischen Judentums ließen sich Könige und Caesaren so verehren. Die Vorstellung einer göttlichen Allmacht spiegelte sich in der unbeschränkten Macht der Alleinherrscher.
Dagegen sagt unser Glaubensbekenntnis: Jesus, der Christus, ist der einzige Sohn Gottes! Gerade in dem, an dem die, die sich als gottgleich verehren ließen, ihre Macht demonstrierten, ist das Wesen Gottes sichtbar geworden. Und nur in ihm: Die leidensfähige Liebe ist wahrhaft göttlich; nicht die Ausübung von Gewalt! So schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: „Die Botschaft vom Kreuz erscheint denen, die verloren gehen, als eine Dummheit. Aber wir, die gerettet werden, erfahren sie als Kraft Gottes.“ (1. Kor 1,18; BasisBibel)

Bis weit in das Mittelalter hinein waren die Gesellschaften patriarchalisch bestimmt. In den Familien hatte der „pater familias“, das Familienoberhaupt, das Sagen – und die Verantwortung für das Wohlergehen aller, einschließlich der Knechte und Mägde. Dieses Verhältnis galt auch im politischen Bereich: Der Fürst war Herr über alle Untertanen. Deshalb war er – wie ein guter Hirte – (eigentlich) auch dafür verantwortlich, dass es allen möglichst gut ging und dass Konflikte gerecht gelöst wurden.

Das griechische Wort für „Herr“ ist „kyrios“. Die direkte Anrede lautet „kyrie“, „mein Herr“. Das ist aus der Gottesdienstfeier durch den Ruf „Kyrie eleison“ bekannt: „Herr, erbarme dich.“ Ursprünglich galt dieser Ruf dem römischen Kaiser und bedeutete ungefähr: „Herr, errette/hilf!“ Damit bestätigten die Untertanen ihrem Herrscher, dass sie ihn als höchste Autorität akzeptierten und von seiner Gnade und seiner Fürsorge abhängig waren. Andererseits steht in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments „kyrios“ für den Gottesnamen JHWH, der aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen werden sollte. 

Wenn wir Jesus Christus als „unseren Herrn“ bezeichnen, schwingen diese Bedeutungen mit: Jesus Christus ist die Vergegenwärtigung (Inkarnation) von Gott, d.h. menschgewordene Liebe. Und er ist – anders als der Kaiser oder irgendein anderes weltliches Oberhaupt – für uns die höchste Autorität und der wirkliche Retter und Helfer. Er gibt im Alltag Orientierung und  Halt in schweren Zeiten. „Denn wenn du mit mit deinem Munde bekennst,
dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.
“ (Röm 10,9)

In der Antike wusste man noch nichts von der Verschmelzung der Erbanlagen von Mutter und Vater bei der Zeugung eines Kindes. Die Frau wurde als eine Art Blumentopf angesehen, der den Samen des Mannes empfängt. Im Körper der Frau wächst dieser Same bis zur Geburt heran. Direkt nach der Geburt legt die Frau dem Mann das Neugeborene vor die Füße, damit dieser es als sein rechtmäßiges Kind annimmt. Nur ein männlicher Nachkomme sichert dem Familienoberhaupt den Fortbestand. Deshalb ist die Geburt eines Sohnes ein besonders wichtiges Hoffnungszeichen. Andererseits gilt es eben als Bestimmung einer Frau, schwanger zu werden. Frauen, die keine Kinder bekommen können, gelten als von Gott gestraft.

Im Alten Testament erzählt der Prophet Jesaja davon, dass der König Ahas wegen der außenpolitischen Bedrohung seines Reiches mutlos und niedergeschlagen ist. Deshalb sagt Jesaja (im Namen Gottes) zum König: „Siehe, eine alma (aus deinem Harem?) ist schwanger und wird einen Sohn gebären. Den wird sie Immanuel nennen, „Gott-mit-uns“. (Jesaja 7, 14) Das Wort alma bedeutet eindeutig „junge Frau“ (von etwa 13 bis 15 Jahren). In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments steht an dieser Stelle parthenos. Dieses Wort kann ebenfalls „(gebärfähiges) junges Mädchen“, aber auch „Jungfrau“ bedeuten. Damit war es gut anschlussfähig an griechische und römische Erzählungen. Einige herausragende Helden der griechischen Tradition (wie z.B. Perseus) galten als Söhne des Zeus, die dieser mit einer Jungfrau gezeugt hat. Der römische Dichter Vergil kündigt in einem seiner Gedichte die Geburt eines göttlichen Knaben durch die Jungfrau Dike an und weist damit vermutlich auf den Kaiser Augustus hin, der sich selbst als Gott verehren ließ.

Über die tatsächliche Zeugung Jesu gibt es keine vergleichbaren Schilderungen. Lediglich in den sog. Kindheitsevangelien des Matthäus- und des Lukasevangeliums werden Bezüge sowohl zu den Göttersöhnen der griechischen Tradition als auch zum Hoffnung stiftenden Prophetenwort des Jesaja an König Ahas gezogen – und damit an die heilsame Bedeutung Jesu als „Gott-mit-uns“. Dadurch hat die christliche Bewegung auch die Kritik aus dem zeitgenössischen Judentum beantwortet, Jesus habe doch gar nicht der Messias/Christus sein können, weil er aus Nazareth in Galiläa stammte; außerdem wäre er kein Nachkomme Davids. Die Antwort des Glaubensbekenntnisses (wie der Evangelien) lautet lapidar: Durch die übernatürliche Geburt Jesu wird das besondere Verhältnis zu Gott offenbar.

Für mich drückt diese Glaubensaussage aus: Mit Jesus Christus beginnt etwas ganz Neues. Keine Festlegungen oder Einschränkungen durch irgendein menschliches „Erbgut“, d.h. durch eine Tradition oder eine vermeintliche Gesetzmäßigkeit. Das wahre Wunder der Menschwerdung Jesu besteht darin, dass in ihm der heilige Geist zur Welt kommt: der Geist der Liebe, der Solidarität und der Anerkennung aller, unabhängig von ihrer Herkunft und von ihren Leistungen. Die Geburt von der „Jungfrau Maria“ signalisiert darüber hinaus eine hoffnungsvolle Unabhängigkeit von (männlicher) Macht und gesellschaftlichen Festlegungen. Dies wird im sog. Magnificat, dem Lobgesang der Maria, ausgedrückt:

„Ich lobe den Herrn aus tiefstem Herzen. Alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter. Denn er wendet sich mir zu, obwohl ich nur seine unbedeutende Dienerin bin. Von jetzt an werden mich alle Generationen glückselig preisen. Denn Gott, der mächtig ist, hat Großes an mir getan. Sein Name ist heilig. Er ist barmherzig zu denen, die ihm Ehre erweisen – von Generation zu Generation. Er hebt seinen starken Arm und fegt die Überheblichen hinweg. Er stürzt die Machthaber vom Thron und hebt die Unbedeutenden empor. Er füllt den Hungernden die Hände mit guten Gaben und schickt die Reichen mit leeren Händen fort.“ (Lukas 1, 47-53)

Da fragt eine Schülerin in der 8. Klasse: „Frau S., was war denn das für eine Krankheit, an der Jesus gelitten hat?“ – „Wieso Krankheit?“ – „Na, es heißt doch: ‚gelitten unter Pontius Pilatus‘!“
Pontius Pilatus war in den Jahren 26 – 36 der Präfekt („Statthalter“) in der Provinz Judäa. Über seine Person ist relativ wenig bekannt. Gesichert scheint, dass er im Jahr 36 abgelöst wurde, nachdem er eine große Anzahl von Samaritanern auf dem Weg zu ihrem heiligen Berg Garizim brutal niedermetzeln ließ. Durch die Nennung des Statthalters im Glaubensbekenntnis wird der Tod Jesu in einen historischen Kontext gestellt.

Dass Jesus gekreuzigt wurde und gestorben ist, erscheint uns heute als allgemein anerkannt. Auch in zeitgenössischen außerchristlichen Quellen (wie z.B. den „Jüdischen Altertümern“ von Flavius Josephus, ca. 37 – nach 100 n. Chr.) wurde davon berichtet. Aber für die ersten Christengenerationen war der schmähliche Kreuzestod ihres Gründers durchaus ein Problem: Schließlich glaubten sie – in der Nachfolge Jesu – daran, dass mit Jesus die endzeitliche Königsherrschaft Gottes begann und in Jesus Christus Gott gegenwärtig war. Aber vor dem Hintergrund der griechischen Philosophie war es undenkbar, dass ein Gott wirklich leiden oder gar sterben konnte. Deshalb glaubte z.B. eine bestimmte Denkrichtung, das „ewige Wort Gottes“ sei nur zum Schein in Jesus von Nazaret Mensch geworden; Jesus hätte nur zum Schein gelitten und wäre überhaupt nicht wirklich gestorben.

Dagegen schlägt das Apostolische Glaubensbekenntnis harte Pflöcke ein: „gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“. Bumm! Bumm! Bumm! Bumm! Kurzer Prozess. Und der füllt gleichzeitig die Leerstelle zwischen der besonderen Geburt Jesu und seinem brutalen Ende: Gekreuzigt wurden außer entlaufenen Sklaven nur politische Aufrührer (auch „Räuber“ genannt). Nach der öffentlichen Geißelung wurden sie (zur Abschreckung) an Straßen hingerichtet. Die Kreuzigung war eine besonders brutale Hinrichtungsart: Das Sterben konnte sich über Tage hinziehen. Für fromme Juden war ein „Aufgehängter verflucht  bei Gott“ (5. Mose 21,23 vgl. Gal 3,13).

Dass Jesus gegeißelt und gekreuzigt wurde, bezeugt also, dass er von den Römern als (möglicher oder tatsächlicher) Unruhestifter wahrgenommen wurde. Sein Engagement für das „einfache Volk“ war gefährlich für die staatliche Ordnung. Immerhin sehen die Leute in ihm einen wiedergeborenen Propheten bzw. den erwarteten Messias (Markus 8, 28). Sie wollen ihn zum König machen (Joh 6,15). Das wurde zu einer Gefahr für die religiös-politische Führung („Hoher Rat) in Jerusalem: Wenn das so weiterginge, würde es zu Aufständen kommen. Und dann bestünde die Gefahr, dass die Römer den Juden kurzerhand die verbliebene Teil-Autonomie wegnähmen und die Herrschaft vollumfänglich ausübten. In dieser Richtung äußert sich der amtierende Hohepriester Kaiphas in Joh 11,50: „Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“ Gleichzeitig konnte dem Hohen Rat Jesu Kritik an der religiösen Führung (dem „Tempel“) nicht gefallen. Aber da ein Todesurteil nur von den Römern gefällt werden konnte, kam der römische Statthalter (eigentlich: Präfekt) Pontius Pilatus ins Glaubensbekenntnis. Der hat sich auch in anderen Zusammenhängen den zweifelhaften Ruf erworben, in solchen Sachen nicht zögerlich zu sein. In seiner Regierungszeit wurden in Judäa Hunderte von – tatsächlichen und vermeintlichen – Aufständigen gekreuzigt.

Jesus von Nazaret ist wirklich gestorben und begraben worden, nicht nur scheinbar. Ich hätte kein Problem damit, wenn Archäologen irgendwann einmal zweifelsfrei seine sterblichen Überreste präsentieren könnten. So hat vor einigen Jahren ein amerikanischer Forscher glaubhaft machen wollen, dass er die Familiengruft der Großfamilie Jesu gefunden hätte. Ich finde solche Entdeckungen interessant und auf keinen Fall irritierend für meinen Glauben. Im Gegenteil: Nur weil ich fest davon überzeugt bin, dass dieses „gekreuzigt, gestorben und begraben“ wirklich gilt, kann ich auch richtig verstehen, was es mit seiner Auferweckung auf sich hat. Aber dazu komme ich weiter unten.

In der lateinischen Originalfassung lautet diese Aussage: „hinabgestiegen in die Unterwelt“. Hinter dieser Aussage steht das damals vorherrschende dreistufige Weltbild: ganz, oben „im Himmel“, das Reich Gottes, das Reich der unbegrenzten Möglichkeiten; darunter die Erde, das Reich der Wirklichkeit von unterschiedlichen – naturwissenschaftlichen, gesellschaftlichen, religiösen, moralischen etc. – Gesetzmäßigkeiten; und ganz unten das Reich des Todes, der Weltbereich, der „ganz unten“ ist. Das ist die Hölle. Der Bereich, in den die Toten abgesondert sind – in maximaler und andauernder Entfernung von Gott.
Mit Jesus Christus ist der menschgewordene Gott selbst in die Unterwelt hinabgestiegen und hat damit die bisher angenommene Gottesferne überwunden. Hier geht es um deutlich mehr als bei Orpheus, der ausschließlich seine geliebte Euridike aus den Fängen des Gottes Hades befreien wollte. Zu seinen Lebzeiten ist Jesus immer wieder zu denen gegangen, die „ganz unten“ waren: Den verhassten Zöllnern hat er genauso die Liebe Gottes gezeigt wie den anrüchigen Prostituierten, den ausgestoßenen „Besessenen“ und den als unrein betrachteten Kranken. Diese Mission geht über den leiblichen Tod hinaus: Für Christus-Gläubige bleiben auch alle Verstorbenen in der Reichweite und Nähe Gottes. Das ist die Voraussetzung für das Gericht über Lebende und Tote und für den Glauben an die Auferstehung der Gerechten.

Die religiöse Vorstellung, dass die Toten auferweckt werden, hängt mit der Krise des sog. Tun-Ergehen-Zusammenhanges zusammen: Wenn du im Leben als gerechter Mensch lebst, wirst du von Gott gesegnet. Diese Vorstellung geriet vor allem durch die religiös begründeten Makkabäer-Aufstände in eine Krise: Menschen setzten sich für die Sache Gottes ein und wurden deshalb jung getötet. Auf der anderen Seite werden gotteslästernde Schurken alt und sterben lebenssatt. Aber Gott ist doch gerecht! Also wird Gott „am Ende der Tage“ alle Toten auferwecken und – zusammen mit den Lebenden – richten: die einen zur ewigen Seligkeit, die anderen zur ewigen Verdammnis.

Zur Zeit Jesu war diese theologische Konstruktion – u. a. wegen der großen Attraktivität apokalyptischer Literatur wie z. B. des „Buches der Wächter“ (äthHen) – wieder lebendig, aber heftig umstritten. Die Sadduzäer, die nach Flavius Josephus zur Oberschicht gehörten, lehnten sie ab, weil sie sich aus den für sie maßgeblichen 5 Büchern Mose nicht begründen lässt. Für die Pharisäer galten auch die Prophetenbücher als Grundlage des Glaubens. So heißt es beim zur Zeit Jesu vielgelesenen Propheten Jesaja: „Deine Toten werden leben, und deine Leichname werden auferstehen“ (Jes 26, 14). Und im Danielbuch: „Viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande“ (Dan 12,2). 

Der ehemalige Pharisäer Paulus bezieht die allgemeine Auferweckung der Toten auf Jesus und bezeichnet ihn „als Erstling unter denen, die entschlafen sind“ (1. Kor 15,20). Das heißt: Durch die Auferweckung Jesu Christi hat Gott bereits vor dem „Jüngsten Gericht“ am Ende der Tage die Voraussetzung geschaffen, ihn zu richten und damit deutlich zu machen, dass Gott Gerechte wie Jesus von Nazareth mit ewigem Leben belohnen wird.
(Siehe auch meine ausführliche Stellungnahme zur Auferweckung Jesu.)

Aber warum gerade „am dritten Tage„?
Das ist tief in der jüdischen Tradition verankert. Gemäß dem 2. Buch Mose ist der dritte Tag der Tag der Selbstoffenbarung Gottes: Das Volk Israel soll sich auf diesen Tag gut vorbereiten, „denn am dritten Tage wird der HERR vor allem Volk herabfahren auf den Berg Sinai“ (2. Mose 19,11). Dann wird Gott dem Volk seine Gebote mitteilen.
Und der Prophet Hosea ermutigt seine Zeitgenossen: „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn; denn er hat uns
zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben. Lasst uns darauf achthaben und danach trachten, den Herrn
zu erkennen; so gewiss wie die schöne Morgenröte bricht er hervor und
kommt über uns wie der Regen, wie Spätregen, der das Land feuchtet.“ (Hos 6,1-3)

Diese Aussage ist im lateinischen Original spiegelbildlich gestaltet zu „hinabgestiegen in das Reich des Todes“: descendit ad inferna – ascendit ad caelos. Von ganz unten nach ganz oben. Jesus Christus wirkt in allen drei Weltbereichen, in der ganzen Welt. Dazwischen die Aussage über die Auferstehung, die auf diese Weise auch stilistisch herausgehoben wird. Sie ist gewissermaßen das Scharnier: Ohne den Auferstehungsglauben ist weder das Hinuntergehen in die Unterwelt wie das Aufsteigen in den Bereich Gottes denkbar oder verständlich.

Der rechte Platz ist ein Ehrenplatz. Wer auf diesen Platz gerufen wird, hat das unmittelbare Vertrauen des allmächtigen Herrschers gewonnen. Denn zur Rechten des antiken Herrscher saß sein „Kanzler“, der gewissermaßen die Exekutive darstellte. Die „rechte Hand“ des Herrschers setzte dessen
Willen um – ohne Wenn und Aber.

Das Gericht „am Ende der Tage“ ist mit der theologischen Konstruktion der Auferstehung der Toten verbunden. Wenn die Zeit erfüllt ist, wird Gott über die Lebenden und die Toten Gericht halten (vgl. Matth 25,31-46). Dann wird sich zeigen, welches Verhalten „bei Gott“ richtig ist und welches verwerflich. Das Glaubensbekenntnis geht davon aus, dass Jesus Christus, als Gottes Sohn und „rechte Hand“ diesem Gericht vorsitzen wird.
Für die Christen ist dieser Gedanke ein Grund zur Freude. Vor allem in den ersten Generationen war die Erwartung der baldigen Wiederkunft Jesu sehr lebendig. Diejenigen, die zum größten Teil zur Unterschicht gehörten und zudem in ihrem Alltag ständigen Repressalien ausgeliefert waren, hofften auf die Erscheinung des Weltenrichters und auf die ausgleichende Gerechtigkeit noch in ihrer Gegenwart. Der aramäische, liturgische Ruf „Maranatha“ (Unser Herr, komm!) drückt die Überzeugung aus, dass die Jesus-Anhänger – ob bereits gestorben oder noch lebend – zu Jesus auf die rechte Seite Gottes gerufen würden.

Die iroschottischen Missionare (im 5. bis 10. Jahrhundert) übersetzten das lateinische Wort „spiritus“ mit „ghost“. Im Englischen bedeutet es „Geist“ im Sinne von „Gespenst“. Ich assoziiere damit ein unsichtbares Wesen, das eine Burg oder ein Schloss bewohnt. Seine Gegenwart ist nur an schaukelnden Deckenlampen, plötzlich verlöschenden Kerzen, ächzendem Gebälk und dergleichen zu vermuten. Es bringt im Haus alles in Bewegung.
Der Heilige Geist ist der Geist Gottes. Er ist der Bereich des Zwischen: das Medium zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Geschöpfen. Die Gegenwart des „Ich bin da“-Gottes – als Liebe und Anerkennung in den Gläubigen wie auch in der Gemeinschaft aller Geschöpfe. Er motiviert Hände und Füße und steuert Mund und Ohren.
Die klassischen Darstellungen des Heiligen Geistes sind die (Brief-)Taube (bei der Taufe Jesu) und Atem/Wind und Feuer (in der Pfingstgeschichte). Die Taube symbolisiert die direkte Kommunikation zwischen Gott und Mensch. Der Atem durchströmt den Körper und hält ihn am Leben. Der Wind bewegt die Geschöpfe der Natur. Und das Feuer steht für die verwandelnde Kraft des Heiligen Geistes.

Unser Wort „Kirche“ hat sich aus dem griechischen Wort „zum Herrn gehörig“ gebildet. Im lateinischen Original steht an dieser Stelle das Wort „ecclesia“. Es stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „die Herausgerufene (Gemeinschaft)“, die Gemeinschaft der „Heiligen“ (s. z. B. Röm 1,7), d. h. derer, die für Gott ausgesondert wurden; die Gemeinschaft, in der der Heilige Geist als „Teamgeist“ wirkt. Im Neuen Testament bezeichnet „ecclesia“ unterschiedliche Organisationsformen: die christliche Hausgemeinschaft, die Ortsgemeinde, den Verbund der Christen in einer bestimmten Region sowie die weltweite Gemeinschaft aller Christen.
Die Gläubigen bekennen sich sowohl zu einer besonderen („herausgerufenen“) Lebensgestaltung im Zusammenleben mit anderen wie auch zur Solidarität mit anderen Christus-Gläubigen. Bei der Abfassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses bedeutete die „heilige katholische Kirche“ noch nicht die heutige Konfession des römisch-katholischen Glaubens, sondern „weltweit“, „weltumspannend“. In der unierten und reformierten Tradition ist statt dem Eigenschaftswort „christlich“ auch „allgemein“ gebräuchlich.

Die Quelle einer christlichen Lebensgestaltung ist die Vergebung der Sünden, d. h. der Glaube, dass ich selbst (wie alle Menschen) von Gott liebevoll angeschaut bin – mit meiner ganzen Vergangenheit, mit meinen Schwächen und Fehlern und mit all meiner Lieblosigkeit. Dabei werden meine Taten der Lieblosigkeit (gegen Gott, meine Nächsten wie gegen mich selbst) nicht verniedlicht oder ignoriert. Im Gegenteil! Gerade weil ich nicht untrennbar mit meinen Sünden verbunden werde, können sie zur Sprache kommen – zu meinem eigenen Heil. „Sünden“ sind wörtlich übersetzt „Verfehlungen“: Ich habe das Ziel verfehlt, das meinem Leben Halt und Orientierung, d. h. Sinn geben soll. Ich habe mich gewissermaßen im unübersichtlichen Gelände der alltäglichen Herausforderungen verirrt. Da ist es doch sehr hilfreich, darauf aufmerksam gemacht zu werden, wo ich vom richtigen Weg abgekommen bin.
Aus dieser Einsicht ergibt sich die Grundhaltung nicht nur der Toleranz (im Sinne von: Das muss ich eben aushalten!), sondern der Anerkennung der anderen und ihres Andersseins. Andere Sichtweisen der anderen können wertvolle Orientierungshilfen für mich sein. Selbst wenn sie objektiv nicht gemeinschaftsförderlich sind, können sie Engführungen meiner Lebenseinstellung begegnen und meinen subjektiven Blick weiten.

In der lateinischen Fassung steht wörtlich „Auferstehung des Fleisches„. Damit sollte ursprünglich die Vorstellung zurückgewiesen werden, dass nur die Seele des Verstorbenen aufersteht. „Fleisch“ bezeichnet die konkrete weltliche Gestalt eines Menschen – mit all seinen Fehlern und (körperlichen) Macken. Wenn wir uns zur Auferstehung der Toten bekennen, sollten wir diese also nicht im nachhinein idealisieren und zu „reinen“ Seelen machen, die für das Leben bei Gott geeignet sind. In die Liebe Gottes sind auch körperliche Defizite und nervige Seiten unserer Verstorbenen eingeschlossen.

Der Glaube an das ewige Leben bezieht sich auf die Qualität des Lebens, nicht auf seine Dauer (im Sinne eines unendlichen Zahlenstrahles). Es geht um ein Leben in der Ewigkeit, in der unbegrenzten Liebe Gottes. Das gilt sowohl für das Leben nach dem Tod wie für das Leben vor dem Tod. Wenn der Heilige Geist herrscht, erscheint der körperliche Verfall und Tod nicht als Katastrophe. Das Leben hat nicht nur Sinn, wenn wir „für immer jung“ sind. Und im Geist der Liebe bleiben wir auch über den Tod hinaus noch mit unseren Verstorbenen verbunden. Das führt zu einer anerkennenden Haltung gegenüber dem eigenen Leben: Auch wenn es beschwerlich ist, gibt es einen Sinn darin.
Gleichzeitig schärft der Glaube an das ewige Leben die eigenen Sinne: Was wäre zu tun (oder zu lassen), um in die aktuelle Lebenspraxis mehr „ewiges Leben“ – für mich wie für die ganze Schöpfung – zu bringen?

Zusammen mit dem „Credo“ am Anfang bildet das „Amen“ die Klammer des ganzen Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube“ – „Ja, das ist die Gewissheit meines Lebens.“